Vorgestern konnte ich hier ja erfreulicherweise auf einen Artikel über Usedom in der New York Times hinweisen. Bei der Gelegenheit habe ich gleich noch etwas im Archiv derselben gestöbert und festgestellt, Reportagen über Usedom gab es dort schon Ende des 19. Jahrhunderts. Am 15. August 1897 wurde ein Bericht mit dem Titel „The lost City of Veneta“ veröffentlicht. Leider ist der Name des Autors nicht bekannt.
Manch eine Feststellung in dem amüsanten und teilweise sarkastischen Bericht erinnert durchaus an heutige Zeiten. So etwa der Hinweis auf Warnschilder im Bereich des Damenbades, mit dem die Herren der Schöpfung aufgefordert wurden hier nicht innerhalb der Reichweite eines Opernglases herumzulungern.
Oder das ewige Ärgernis der Kurtaxe. Detailreich lässt sich der unbekannte Autor darüber aus, dass nicht etwa die Einwohner, Berliner Immobilienspekulanten oder gar die Eigentümer der Villen, Pensionen und Hotels mit ihren reichlichen Einnahmen für den Unterhalt des Kurortes aufkommen, sondern die Gäste. Genauso spitz merkt er an, wie schnell der Kurtaxeintreiber zur Stelle war, um gleich darauf eine Anekdote über einen russischen Badegast zum Besten zu geben.
Der war Staatsminister seines Landes und habe den unvergleichbaren Mut aufgebracht, dem Kurtaxkollektor zu sagen, er möge zum Teufel gehen. Selbstverständlich natürlich mit einer gehobeneren Wortwahl. Und das habe erstaunlicherweise funktioniert, Heringsdorf habe in diesem speziellen Fall darauf verzichtet, den Mann auszurauben. Am Ende wird aber vermerkt, der Minister sei nicht mehr im Amt und wenn er es in diesem Jahr versuche, werde Heringsdorf die Herausforderung annehmen und ihn vor Gericht stellen. (Anmerkung des Verfassers: Ein solches Gehabe von hochgestellten Persönlichkeiten soll auch heutztutage nicht unüblich sein. Genauso wie die Willfährigkeit manches Amtsinhabers jenen gegenüber.)
Wie aber bekommt man jetzt Vineta zu Gesicht? Ein Mann und eine Frau fasten tagsüber in der Woche vor Ostern. Am Ostermorgen nehmen sie einen schwarzen Hahn und einen Schwan oder, wenn kein Schwan zur Hand ist, eine schneeweiße Gans und gehen vor Sonnenaufgang in aller Stille zum Fuß des Langeberges hinüber. Dort entledigen sie sich aller Kleidung und steigen auf den Gipfel der Steilküste hinauf. Während die Sonne aufgeht opfert der Mann den Hahn zu Ehren von Rhadegast und die Frau den Schwan unter Anrufung von Svantevit. Dann und nur dann, sehen sie Vineta zu ihren Füßen liegen, so wie es aussah, als jene Götter – Rhadegast, der Schutzpatron der Krieger und der Piraten; Svantevit, der Gott der Musik, Vorhersehung und der Liebe – innerhalb der Stadtmauern angebetet wurden.
Diese Kenntnis hat der Autor unter Einsatz zahlreicher „Schnapse“ und einiger Silbermünzen von einer uralten Bansiner Einwohnerin erlangt. Auch das eine Parallele zu heute: Unglaublich für was unsere Touristen ihr Geld ausgeben. 😉