Jedenfalls aus Sicht unserer Lokalzeitungen. Anders kann man es sich nicht erklären, wenn in Swinemünde Ministerpräsident Donald Tusk zu Gast ist und bei uns darüber nicht mit einer Silbe berichtet wird. Dabei hatte Tusk am 1. Oktober durchaus auch für die deutsche Seite Interessantes zu berichten.
So hat er klargestellt, dass sich Warschau nicht an der Finanzierung der von der Stadt Swinemünde gewünschten Swinequerung beteiligen wird. Angesichts der Sparmaßnahmen habe das Vorhaben keine Priorität, man werde aber untersuchen, ob eine Finanzierung mit EU-Mitteln möglich sei. Der Sprecher der Stadtverwaltung, Robert Karelus, war darüber wenig erbaut. Er schlug vor, der polnische Staat könnte ja die Mittel zum Betreiben der Stadtfähren, ca. 5,5 Millionen Euro jährlich, über eine Dauer von 30 Jahren garantieren, dann könne man bauen. Ausserdem erwarte die Stadt ab 2014 ca. 12,5 Millionen Euro jährlich an Einnahmen von den Betreibern des Flüssiggasterminals, die man einsetzen könne. Die Kosten für den Bau des Tunnels werden auf 110 Millionen Euro geschätzt.
Tusk besuchte auch den Standort des geplanten Flüssiggasterminals. Er führte aus, das Terminal habe eine „strategische Dimension für die Sicherheit der polnischen Energieversorgung“. Mit dem Flüssiggas (LNG), das in Swinemünde angelandet werden soll, wird nach Fertigstellung des Terminals, geplant für den 30. Juni 2014, ein Drittel des gesamten polnischen Gasbedarfs gedeckt. Ein weiteres Drittel soll über den kürzlich mit Russland geschlossenen, bis 2037 laufenden Liefervertrag und das verbleibende Drittel mit Gas aus eigener Produktion abgesichert werden. Im Zusammenhang mit dem russischen Gasliefervertrag und dem nicht frei zugänglichen Leitungssystem hat die EU allerdings ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Polen eingeleitet.
Tusk informierte ausserdem, Deutschland habe seine Bedenken wegen möglicher Umweltgefährdungen zurückgezogen, damit stehe dem Vorhaben jetzt nach zwei Jahren Verzögerung nichts mehr im Wege. In der polnischen Presse werden die Baukosten mit 725 Millionen angegeben, davon kommen 80 Millionen von der EU, 200 Millionen sollen von der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung und der Rest von einem internationalen Bankenkonsortium finanziert werden.
Weiter will er gegen den Bau der Nordstream-Pipeline vor der Hafeneinfahrt von Swinemünde vorgehen, die bisherigen Zugeständnisse in Form einer Verlegetiefe von 17,5 Metern unter dem Meeresspiegel reichen ihm nicht aus. Polen verlangt eine Verlegung in 5 Meter Tiefe unter dem Meeresgrund, um den Hafen zukünftig für Schiffe mit einem Tiefgang von mehr als 13,5 Metern nutzbar zu machen. Die sind schon jetzt das abolute Minimum, da nach dem Liefervertrag vom September 2009 ca. 1,5 Milliarden Kubikmeter jährlich von LNG Qatargas aus dem Emirat Katar geliefert werden. Die Reederei Katar Gas Transport Company hat 13 Flüssiggastanker der Q-Max-Klasse im Einsatz. Die Teile sind 350 Meter lang, 55 Meter breit und haben im beladenen Zustand 12 Meter Tiefgang, Fassungsvermögen 265.000 Kubikmeter. Die nächst kleinere Q-Flex-Klasse ist bei 300 Meter Länge und einer Kapazität von 215.000 Kubikmetern, davon hat die Reederei 19 Stück. Die Bezeichnung und die Dimensionen leiten sich übrigens von dem Hafen von Ras Laffan/Katar (englisch: Qatar) ab. Wenn ich mir diese Riesenschiffe in der Kadettrinne vorstelle, habe ich doch ein leichtes Unbehagen.
Rechts neben der Ostmole soll der Aussenhafen entstehen.
Aktuell wird das Baufeld vorbereitet und geologische Untersuchungen zur Standfestigkeit des Bodens bis zu einer Tiefe von 60 Metern durchgeführt. Dies sei erforderlich, da die Tanks bei einer Höhe von 40 Metern und einem Durchmesser von 80 Metern ein Gewicht von jeweils 70.000 Tonnen haben sollen (der Leuchtturm von Swinemünde in der unmittelbaren Nachbarschaft ist 68 Meter hoch). Für den Zeitraum 2017-2018 ist bereits eine Erweiterung ins Auge gefasst, um die Kapazitäten von jetzt geplanten 5,5 Milliarden auf 7,7 Milliarden Kubikmeter auszubauen. Bereits 2013 soll eine Station zum Entflüssigen des Gases fertig sein, um das Gas in die überregionalen Verteilnetze einspeisen zu können.
Für das Entladen der Schiffe soll nach polnischen Berichten ein Außenhafen mit 5 Anlegestellen durch das Seeamt Stettin errichtet werden mit einem 3 Kilometer (!) langen Wellenbrecher und einer Fahrwasservertiefung. (Das ist neu für mich und es fällt mir schwer, die Länge des Wellenbrechers zu glauben, aber wenn schon die Schiffe 300 Meter und länger sind. Ausserdem ist die Westmole über 1.000 Meter lang und die Ostmole knapp 1.400 Meter. …) Das korrespondiert auch mit einer polnischen Zeitungsmeldung nachdem, die Tanker 800 Meter entfernt vom Terminal entladen werden sollen. Wo wird eigentlich der ganze Aushub für den Aussenhafen verklappt? Zur weiteren Information bitte hier nachsehen. Informationen zu LNG und den Risiken gibt es hier.
Um wieder auf den Ausgangspunkt zurück zu kommen: Wäre Frau Merkel in Heringsdorf gewesen, ich würde drauf wetten, die polnische Presse wäre dabei gewesen.
Pingback: Großprojekt in Świnoujście (Swinemünde) - Greifswald wird Grün