Live von der Sitzung der Gemeindevertretung in Heringsdorf. Keine gute Idee, die Sitzung der Gemeindevertretung im Hotel Stadt Berlin zu machen. Die 60 Stühle für Gäste sind bereits 15 Minuten vor Beginn der Sitzung besetzt, der Platz reicht hinten und vorne nicht aus. Unwürdiger Rahmen für den Anlass.
(Das mit dem Live hatte sich ab 19.30 Uhr erledigt. Der Server, auf dem der Usedomspotter liegt und das Plugin zum Livebloggen werden keine Freunde mehr)
Sitzplätze auf gut 90 aufgestockt, immer noch stehen Gäste vor dem Saal. 19 von 21 Gemeindevertreter sind anwesend. Zum Beginn der Sitzung informiert Herr Friedrich über einen Antrag der Piraten, die Sitzung aufzuzeichnen und den Film anschliessend ins Netz zu stellen. Er stellt den Antrag zur Abstimmung, will das nicht selbst entscheiden, bemerkt es sei geheime Abstimmung nötig, bei mehr als 25 % Gegenstimmen sei die Aufzeichnung nicht zulässig. 7 Gemeindevertreter stimmen mit Ja, 10 Nein, 2 ungültige Stimmen. Die Piraten dürfen nicht aufzeichnen, Transparenz geht anders.
Harald Linde beginnt die Bürgerfragestunde mit einer Frage an Herrn Friedrich nach seiner Beteiligung an der Schmuddelkampagne gegen Lars Petersen. Herr Friedrich antwortet: „Ging mir darum Schaden von der Gemeinde abzuwenden und von der Person des Herrn Petersen.“ Großes Gelächter im Saal. Herr Friedrich weiter: „Beifallsbekundungen sind unzulässig. Es sind Bürger an mich herangetreten, mehr als 20 mit Gerüchten. Zu den Gerüchten habe ich keine Stellung bezogen. Nach einer Aufsichtsratssitzung habe ich meine beiden Stellvertreter auf die Seite genommen und Vorschlag gemacht zu einer Gesprächsrunde mit Herrn Petersen. Liste mit vier Fragen zu den Gerüchten, Herr Petersen hat Stellung bezogen. Habe darauf hingewiesen, dass die Gesprächsrunde öffentlichen Charakter hat. Habe nur die Antworten auf Nachfrage der Presse weitergegeben.“
Weitere Frage aus dem Publikum, ob Vorwurf auf Präsenz in Singlebörsen der einzige sei. Ob die Gemeinde nicht andere Probleme habe, sehr emotionaler Beitrag. Viel Beifall aus dem Publikum.
Boschko Richter an Herrn Friedrich: „Falscher Weg mit deinen beiden Stellvertretern das alleine abzumachen. Du bist Vorsitzender der gesamten Gemeindevertretung, es gab Gelegenheit das mit uns allen zu besprechen. Du hältst hier immer schön das Feuer am köcheln.“ Antwort von Herrn Friedrich: „Das was Sie machen ist Show, Herr Richter.“
Lars Petersen meldet sich zu Wort und bittet darum, das Thema jetzt auf sich beruhen zu lassen. Beifall aus dem Publikum.
Frage von Joachim Saupe an Herrn Friedrich: „Haben Sie der Presse Mitteilungen gemacht, die Herrn Petersen schaden konnten? Antwort: Nein, habe nur an die Presse weitergegeben, was auf der Sitzung gesagt wurde.
Klaus Kottwittenborg: „Es war mein Vorschlag an Herrn Friedrich, das Gespräch mit seinen Stellvertretern so zu machen.“
Es gibt keine Änderungsanträge zur Tagesordnung.
Ich lasse die Tagesordnungspunkte aussen vor, bei denen es nicht um die das Thema Bürgermeister ging. Gibt noch einen gesonderten Beitrag.
Unter Tagesordnungspunkt 19 (Bericht des Bürgermeisters) nutzt Klaus Kottwittenborg zum Abschluss die Gelegenheit eine kurzes Resümee zu ziehen: „Ich nutze die Gelegenheit Dank zu sagen. Habe einiges aufgeschrieben ohne es zu lang zu machen. Über 20 Jahre sind eine lange Zeit, ich war immer ein Freund von Kommandoaktionen.“ Ausführungen zur Beschaffung von Feuerwehrfahrzeugen im Jahr 1992, zur Gründung des Feuerwehrzweckverbandes Heringsdorf-Bansin 1998. „Man konnte viel nach meinen Vorstellungen auf die Reihe bringen, es wurde aber alles immer schwieriger. Dank an die Gemeindevertreter, nicht so positives habe ich bereits vergessen, positives behalte ich in Erinnerung. Dank an Helmut Friedrich (Geraune im Publikum), es war ein sachliches Miteinander. Habe eigentlich ganz gute Optionen, starte neu durch, lege den Hauptschalter noch mal um. Nehme Malte Wiedemeyer mit auf meinen Segeltörn in 14 Tagen, er hat angedroht mir Marx nahe zu bringen. Wünsche der Gemeinde und dem neuen Bürgermeister gutes Gedeihen, herzlichen Dank, es war eine wunderschöne Zeit.“ Beifall vom Publikum.
Frau Willert bedankt sich im Namen der Mitarbeiter des Rathauses mit einem Blumenstrauss. Joachim Saupe: „Es waren anstrendende sieben Jahre, die wir gemeinsam gemeistert haben.“ Übergibt einen Fresskorb der CDU-Fraktion für den Segeltörn. Frau Dr. Lehmann übergibt im Namen des Eigenbetriebes eine Chronik mit den wichtigsten Ereignissen der Amtszeit und eine Urkunde mit dem Titel „Kaiser der Fördermittel“. Klaus Wollin soll für die HBU-Fraktion sprechen, ist aber so bewegt, dass ihm das Reden schwer fällt. Herr Friedrich übergibt darauf hin für die HBU noch einen Fresskorb mit den besten Wünschen für die Zukunft. Herr Spalink übergibt im Namen der Historischen Gesellschaft einen Druck der englischen Karikatur von Bismarcks Rücktritt „Der Lotse geht von Bord“ und erinnert daran, dass heute der Jahrestag der Skagerrakschlacht sei.
Anschliessend übergibt Klaus Kottwittenborg die Ernennungsurkunde an Lars Petersen, langer Beifall aus dem Publikum. Helmut Friedrich nimmt Lars Petersen den Diensteid ab, mit dem Zusatz „so wahr mir Gott helfe.“
Foto: Claudia Pautz
Herr Friedrich wünscht gute Zusammenarbeit, was schallendes Gelächter im Saal provoziert, anschliessend noch einmal langer Beifall.
Lars Petersen: „Das war mein zweiter Diensteid, ich habe schon einmal einen abgelegt. Ich bedanke mich bei allen Wählern. Mein besonderer Dank gilt Herrn Tolxdorff und Herrn Lettner, die mich in der Stichwahl unterstützt haben. Ich hätte auch gerne meinem Vorgänger gedankt, das ist mir aber nicht möglich, da keine ordentliche Übergabe der Amtsgeschäfte stattgefunden hat. Erlauben Sie mir noch ein paar persönliche Anmerkungen. Die Initiatoren solcher Schmutzkampagnen wie ich sie in den letzten beiden Wochen erleben musste und diejenigen die sie verbreiten, sollten sich einmal Gedanken machen, wie so etwas auf den Betroffenen wirkt und auf seine Angehörigen. Und auch wie sich das in der Aussendarstellung macht, welchen Schaden man damit auch der Gemeinde zufügt. Mein Dank gilt Herrn Friedrich für seine Initiative mit dem Besuch im Innenministerium, um zu klären, dass meiner Ernennung nichts im Wege steht.“
Gelächter im Saal, dann Beifall. Herr Friedrich antwortet: „Ich habe keinen Kontakt zum Innenministerium gehabt.“
Beim Tagesordnungspunkt „Entsendung des neuen Bürgermeisters in den Aufsichtsrat der KTS“ attackiert Uwe Wehrmann, Vorsitzender ebendieses Aufsichtsrates Lars Petersen: „Ich kann das Verhalten gegenüber dem Bürgermeister nicht verstehen, immerhin hat er dir gestattet, bereits vor Amtsantritt mit den Mitarbeitern der Verwaltung Gespräche zu führen, dich zu informieren und Termine wahrzunehmen.“ (Buhrufe aus dem Publikum) Anschliessend wirft Herr Wehrmann Lars Petersen mangelndes Interesse an der KTS vor, weil er verschiedenen Einladungen nicht gefolgt sei und schloss mit der Äußerung: „Wenn ich höre, dass Du mir jetzt auf die Füsse treten willst, dazu braucht es Leute von Format. Und das Format spreche ich dir ab.“
Die Wahl von Lars Petersen in den Aufsichtsrat der KTS erfolgt mit 13 Ja, 1 Nein und 5 Enthaltungen, die Wahl in den Aufsichtsrat der Wohnungsgesellschaft mit 14 Stimmen bei 5 Enthaltungen.
Unter Sonstiges fragt Frank Lettner Helmut Friedrich: „Wird denn nun auch in Zukunft da vorne ein vertrauensvolles Gespann sitzen, oder ist wegen der Geschehnisse das Vertrauensverhältnis dauerhaft gestört? Wir haben für die heutige Sitzung einen Dringlichkeitsantrag zur ihrer Abwahl erwogen, konnten aber die die Dringlichkeit nicht begründen. Sind Sie der Meinung, Sie bekommen ein vernünftiges Verhältnis hin, oder sehen sie Anlass selbst Konsequenzen zu ziehen.“
Antwort Helmut Friedrich: „Die Zusammenarbeit wird sich auf vernünftiger, sachlicher und konstruktiver Basis gestalten zum Wohle aller. Das mit dem Abwahlantrag verstehe ich nicht, erst wirft man mir vor, ich arbeite zu eng mit dem Bürgermeister zusammen und jetzt soll ich abgewählt werden weil ich vielleicht nicht eng genug mit dem Bürgermeister zusammenarbeite? Ich sehe da keine Problematik.“
Klaus Kottwittenborg meldet sich ein letztes Mal zu Wort: „Ich habe viele Konflikte mit Helmut Friedrich gehabt, aber wir haben verstanden die miteinander auszufechten. Wir müssen aufhören hinter mit den dauernden Gedanken an Verschwörungstheorien. Ich habe beim Innenminister angefragt, ob die Vorkommnisse Folgen haben, das ist mein Job. Das Ergebnis war, dass der Ernennung nichts im Wege stand.“
Man könnte den Abend so zusammenfassen: Es war dicke Luft im Saal. Sprichwörtlich und tatsächlich wegen der Überfüllung. Nicht weiter verwunderlich, nach dem was sich in den letzten Wochen zugetragen hat, bis hin zu ernsthaften Überlegungen Lars Petersen die Ernennung zum Bürgermeister wegen fehlender persönlicher Eignung zu verweigern. Die Verbitterung über die Vorgänge war Lars Petersen während seiner kurzen Ansprache anzumerken. Wie sich in den nächsten Wochen und Monaten die Zusammenarbeit zwischen dem Vorsitzenden der Gemeindevertretung und dem Bürgermeister, der ihn wegen Verleumdung und übler Nachrede angezeigt hat, funktionieren soll ist mir schleierhaft.
Persönlich fand ich es schade, dass man die Verabschiedung von Klaus Kottwittenborg und die Ernennung von Lars Petersen nicht in einem Raum passender Größe und in einer eigenen Sitzung veranstaltet hat, der Bedeutung des Ereignisses angemessen. Es musste jedem von vorne herein klar sein, dass der Frühstücksraum im Hotel Stadt Berlin mit einer Bestuhlung für 60 Gäste nicht annähernd ausreicht. Eine Verabschiedung des Bürgermeisters stand nicht einmal auf der Tagesordnung und wenn ich nichts verpasst habe, gab es nicht einmal ein Präsent von der Gemeinde. Man mag zu Klaus Kottwittenborg und zu seiner Arbeitsweise stehen wie man will, aber das war einfach nur unwürdig.
Wahrscheinlich unfreiwillig hintersinnig das Geschenk der Historischen Gesellschaft. Im englischen Original heisst die Bildunterschrift „Dropping the Pilot“ und bedeutet eigentlich, dass Wilhelm II. Bismarck hat fallen lassen. Was wiederum passt, wenn man den Kaiser durch den Wähler ersetzt, der heutzutage ja der Souverän ist. Auch der Verweis auf den Jahrestag der Schlacht vom Skagerrak ist nicht ohne: Laut Wikipedia bestand der Erfolg der deutschen Flotte nur darin, der Vernichtung entgangen zu sein.
Die Piraten haben auch schon etwas zu dem heutigen Abend: Das schwere Ding mit der Öffentlichkeit – Gemeindevertreter tagen in Heringsdorf
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