Jedenfalls wenn es nach dem Cicero geht, dem Magazin für politische Kultur. Dort verbreitet sich Lucie Suchá in dem Artikel „Leben in Deutschland, arbeiten in Polen“ im besten Stil des Qualitätsjournalismus. Was bedeutet, dass in dem Text einige schlimme Bolzen sind und er auch sonst sehr an der Oberfläche bleibt.
So wurde per Federstrich die Landrätin Dr. Syrbe abgesetzt und der Sprecher des Landkreises, Achim Froitzheim, zum neuen Landrat befördert.
Das „Durchschnittsgehalt liegt in Deutschland bei ungefähr 3500 Euro“, geht es weiter. Dumm nur, wenn laut Datensammlung zur Steuerpolitik des Bundesfinanzministeriums der durchschnittliche Monatslohn bei 2413 Euro im Jahr 2012 liegt. Nebenbei bemerkt liegt er in den grenznahen Gebieten, mit denen sich Frau Suchá beschäftigt mehr als 20 Prozent unter dem Durchschnitt.
Nächste falsche Zahl gefällig? Seit 1995 sei die Bevölkerungszahl in Meck-Pomm um 15 Prozent gesunken, tatsächlich sind es laut Statistischem Landesamt 10,3 Prozent. Die Einwohnerzahl von Bonn liegt bei 300.000, Meck-Pomm hat 188.000 Einwohner verloren. Neben den schlicht falschen Zahlen gibt es auch jede Menge Verallgemeinerungen, die mit dem Thema des Artikels wenig zu tun haben, wie der etwas unklare Vergleich zwischen Wohnungsmieten oder -preisen von Warschau und Berlin.
Tatsächlich beschreibt Frau Suchá einen alltäglichen Vorgang: Stadtflucht. Es ist völlig normal, dass Gutverdienende aus einer großen Stadt wie Stettin ins Umland ziehen, weg aus der Stadt. Dass nun viele Polen den deutschen Teil des Stettiner Umlandes wählen ist keine Überraschung. Die Immobilienpreise sind niedrig, da es auf der deutschen Seite angesichts der wirtschaftlichen Situation kaum Kaufinteressenten gibt. Sie sind aber keinesfalls niedriger als im polnischen Umland von Stettin, wie im Artikel behauptet. Hinzu kommt, dass die Stettiner Vorzüge wie stabile Infrastruktur, schnellere Bürokratie und das Fehlen der in Polen immer noch verbreiteten Korruption zu schätzen wissen.
In unserer Region sieht das ganz anders aus. Hier ziehen reihenweise Deutsche in Neubauwohnungen in Swinemünde, da die Wohnungsmieten bis zu 50 Prozent niedriger sind als auf dem deutschen Teil der Insel. Und die Bau- und Immobilienpreise sind für Swinemünder in der Regel nicht erschwinglich.
Was aber der ganze grenznahe Bereich erfreulicherweise gemeinsam hat, ist die große Normalität im täglichen Miteinander. Da teile ich auch nicht die Meinung des polnischen Journalisten Witold Bachorz in dem Artikel:
Jeder Diebstahl stellt wieder alles in Frage. Und es spielt keine Rolle, ob es um den Traktor, den Bohrer oder um ein zwei Tage altes Kalb geht. Solche Delikte sind im deutsch-polnischen Grenzland niemals eine Bagatelle. Jeder noch so kleine Zwischenfall ist ein schwerer Schlag für die gute Nachbarschaft, die wir hier Tag für Tag leben.
Natürlich sind die Diebstähle ein Ärgernis. Aber Kriminelle gibt es auf beiden Seiten der Grenze und ich glaube, dass die breite Mehrheit in unserer Region ihr Polenbild nicht mehr an platten Vorurteilen festmacht.
P.S.: Danke an Peter Panther für den Tip.
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