Flughafen Heringsdorf? Schtonk!

Politisches

Germanwings A319 am Flughafen Heringsdorf

Diesen Beitrag habe ich mir bis zur Eröffnung der diesjährigen Linienflugsaison aufgehoben. Und eigentlich sollte es ein wilder Rant werden, zu dem was sich in unserem Bundesland Luftverkehrspolitik nennt. Tatsächlich ist es viel eindrucksvoller einfach die Zahlen und Fakten sprechen zu lassen.

Auszug aus dem Landesraumentwicklungsprogramm Mecklenburg-Vorpommern 2005 (LEP M-V)

Die Luftverkehrsinfrastruktur ist mit den vorhandenen Flughäfen, Verkehrs- und Sonderlandeplätzen bedarfsgerecht vorzuhalten und auszubauen.

Die Einbindung der bedeutsamen Tourismusräume in das Luftverkehrsnetz ist vor allem mit den Regionalflugplätzen Heringsdorf, Rügen (Güttin) und Barth zu sichern.

Begründung:

Die Entwicklung des zivilen Luftverkehrs ist als wirtschaftsfördernder Faktor zur Verbesserung der Standortgunst von Bedeutung. Auch für den Bedarf von Bevölkerung und Tourismus ist eine gute Luftverkehrsinfrastruktur wichtig. … Für die großräumigen Tourismusgebiete verbessert die direkte Erreichbarkeit mit Flugzeugen die Wettbewerbschancen.

Aus der Situation im Linienverkehr 2005 heraus ist die Darstellung von Heringsdorf als Regionalflugplatz und die Gleichstellung mit Güttin und Barth noch halbwegs nachzuvollziehen. Von Parchim, Neubrandenburg und Rostock-Laage wird im LEP M-V 2005 übrigens als Regionalflughäfen gesprochen. Und das, obwohl Heringsdorf die gleichen Voraussetzungen wie die vorgenannten drei mitbringt. Luftverkehrsrechtlich ist das Unsinn.

§ 22a Luftverkehrs-Ordnung (LuftVO) Flugbetrieb mit Flugzeugen zur gewerbsmäßigen Beförderung von Personen oder Sachen

(1) Der Führer eines Flugzeugs mit einer Höchstabflugmasse von mehr als 14.000 Kilogramm darf bei Flügen zur gewerbsmäßigen Beförderung von Personen oder Sachen auf einem Flugplatz im Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland nur starten oder landen, wenn
1. für den Start Instrumentenabflugverfahren und für die Landung Instrumentenanflugverfahren festgelegt sind,
2. eine Flugverkehrskontrolle vorhanden ist.

Um die Höchstabflugmasse (MTOW) einschätzen zu können, hier die Werte der Maschinen, die gestern Heringsdorf anflogen: Die Bombardier CRJ 900 hat ein MTOW von 37.995 Kilogramm und der Airbus A 319 ein MTOW von 68.000 kg. Es gab und gibt weder in Barth und Güttin eine Flugverkehrskontrolle, damit ist dort keine „Einbindung der bedeutsamen Tourismusräume in das Luftverkehrsnetz“ möglich, weil mit Ausnahme der Dornier 328 (28 Sitzplätze) alle im Linienverkehr eingesetzten Maschinen ein MTOW über 14.000 Kilogramm haben. Die einzigen Flughäfen im Land, die Linienverkehre abwickeln können sind derzeit Parchim, Rostock-Laage und Heringsdorf. Neubrandenburg hat seit Abzug der Luftwaffe keine Flugverkehrskontrolle.

Norddeutsches Luftverkehrskonzept 2013, Seite 9

Luftverkehrsinfrastruktur ist Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge und darf daher nicht leichtfertig aufgegeben werden. Auch wenn ein Flugplatz sich nicht betriebswirtschaftlich „rechnet“, kann es dennoch Gründe für seinen Bestand geben. Es kann daher auch ordnungspolitisch sinnvoll sein, auf die Eigenwirtschaftlichkeit eines Flughafens im Rahmen der europarechtlichen Vorgaben zu verzichten, wenn er für seine Region ein bedeutender Standortfaktor ist. Dies könnte u.U. für den Fall gelten, dass die Region auf die Nutzung dieses Flughafens angewiesen ist und sich die Subventionierung eines defizitären Flughafens nicht negativ auf Flugangebote anderer Flughäfen auswirkt, die für die Region ebenfalls von Bedeutung sind.

Die gutachterliche Vorarbeit zur Erstellung des Norddeutschen Luftverkehrskonzeptes aus dem Jahr 2012 räumt dem Flughafen Heringsdorf ein überdurchschnittliches Wachstumspotenzial ein. Bei der Betrachtung der Entwicklung der Passagierzahlen in den Jahren 2012 und 2013 seit Veröffentlichung der Vorarbeit übertrifft der Flughafen Heringsdorf die Annahmen der Gutachter bei weitem. Diese gestehen dem Flughafen bis 2030 eine Steigerung auf 70.000 Passagiere zu. Interessant ist an der Vorarbeit auch ein Schaubild der Geschäftsleitung des Flughafens Rostock aus dem Jahr 2010 zur Entwicklung der Passagierzahlen. Danach sollten es im Jahr 2013 272.000 Passagiere sein. Tatsächlich waren es 177.464 Passagiere.

Germanwings A319 setzt in Heringsdorf auf

Aus der gutachterlichen Vorarbeit zur Erstellung des Norddeutschen Luftverkehrskonzeptes

„Überproportional viele Flugverbindungen mit geringem regionalwirtschaftlichem Nutzen (z.B. „Outbound Low cost“ Fluggesellschaft und Ferienflugverkehr) in Bremen, Lübeck und Rostock-Laage.“

„Der Flughafen (Rostock-Laage) wird auch weiterhin durch seinen Einzugsbereich geprägt bleiben: Eine weitestgehend überschaubare Wirtschaftskraft mit definierter Nachfrage nach Luftverkehrsleistungen sowie ein Bevölkerungsumfang und eine Entwicklung, die eher restriktiv bis ausgeglichen auf das zukünftige Wachstum wirken wird.“

Wenn man die Vorarbeit und das daraus resultierende Norddeutsche Luftverkehrskonzept auf sich wirken lässt, könnte man als normal denkender Mensch annehmen, dass diese durch das Land mitfinanzierten Papiere Eingang finden in die aktuell in Arbeit befindliche Fortschreibung des Landesraum­ent­wick­lungs­programms. Tatsächlich bringt die Landesregierung einmal mehr ihre zwanghafte Fixierung auf Rostock-Laage zum Ausdruck.

Fortschreibung Landesraum­ent­wick­lungs­programm, Entwurf zur ersten Stufe des Beteiligungsverfahrens, Seite 52

„Die Luftverkehrsinfrastruktur soll bedarfsgerecht weiterentwickelt werden. Dabei soll der Flughafen Rostock-Laage die nationalen und internationalen Luftverkehrsanbindungen der Nachbarländer ergänzen.“

Das ist alles, was unsere Landesregierung über die zukünftige Entwicklung des Luftverkehrs in Mecklenburg-Vorpommern zu sagen hat. 20 Wörter. So sprachlos erlebt man die Landesregierung nur sehr selten.

Die Realität im Inbound-Verkehr sieht im Sommerflugplan 2014 Rostock-Laage so aus:

  • 2 Umläufe pro Woche Köln-Bonn
  • 2 Umläufe pro Woche Stuttgart
  • 2 Umläufe pro Woche München
  • 1 Umlauf pro Woche Erfurt (beschränkt auf 6 Wochen)
  • 1 Umlauf pro Woche Friedrichshafen (beschränkt auf 6 Wochen)

International Fehlanzeige. In Heringsdorf sieht der Sommerflugplan 2014 so aus:

  • 1 Umlauf pro Woche Dortmund
  • 1 Umlauf pro Woche Düsseldorf
  • 1 Umlauf pro Woche Köln-Bonn
  • 1 Umlauf pro Woche Frankfurt
  • 1 Umlauf pro Woche Stuttgart
  • 1 Umlauf pro Woche München
  • 1 Umlauf pro Woche Bern
  • 1 Umlauf pro Woche Zürich
  • 1 Umlauf pro Woche Wien

Und wenn ich die Umläufe nach Warschau und Krakau noch als Inbound für den polnischen Teil der Insel ansehe, kommen weitere zwei Umläufe hinzu. Rostock-Laage bekam in den vergangenen beiden Jahren 500.000 Euro aus der Landeskasse und bekommt in diesem und in den bis 2017 folgenden Jahren jeweils 1 Million Euro. Heringsdorf bekommt in diesem Jahr 20.000 Euro und ab nächstes Jahr nichts mehr. Aus Sicht der Landespolitik ist das nur folgerichtig. Schließlich hat Heringsdorf schon alles, was Rostock-Laage erst entwickeln soll.

Wassertaufe für Germanwings A319 am Flughafen Heringsdorf
Aus meiner Sicht hat Rostock-Laage auch in der Zukunft keine Chance im Inbound-Verkehr eine bessere Rolle zu spielen. Das ist la(a)gebedingt. Die Entfernungen zu den touristischen Zentren sind einfach viel zu groß. Transferzeiten, die teilweise doppelt und dreimal so lange sind, wie die Flugdauer funktionieren einfach nicht. Von Laage nach Binz sind es zum Beispiel 157 Kilometer und selbst bei freien Strassen 2 Stunden Fahrt mit dem PKW.

Bis zum 4. Juli 2014 läuft noch die öffentliche Auslegung des Entwurfs zur Fortschreibung des Landesraumentwicklungsprogramms im Rahmen der ersten Stufe des Beteiligungsverfahrens. Hier kann man sich registrieren lassen, um eine Stellungnahme abzugeben: Klick. Wenn ihnen etwas am Erhalt des Flughafens liegt, dann sollten Sie dort eine Stellungnahme abgeben. Und noch besser, animieren Sie auch andere, es Ihnen gleichzutun.

Nachtrag: In der Koalitionsvereinbarung steht seltsamerweise gar nicht, dass man Rostock-Laage das Geld hinterherwerfen müsste und Heringsdorf deshalb zu ignorieren sei.

Koalitionsvereinbarung 2011-2016

115. Für die überregionale Erreichbarkeit Mecklenburg-Vorpommerns ist auch die Anbindung an den Luftverkehr bedeutend.
116. Die Koalitionspartner werden das Luftverkehrskonzept des Landes überarbeiten. Ziel ist es die Förderung zu konzentrieren. Dabei ist das vorhandene und potenzielle Passagier- beziehungsweise Frachtaufkommen zu berücksichtigen.
117. Die Koalition prüft die Entwicklung des Flughafens Rostock-Laage als „Landesflughafen“. Gemeinsames Ziel muss langfristig die Privatisierung sein.

P.S.: Über die „Unterstützung“ des Flughafens durch Swinemünde, die deutschen Gemeinden der Insel und sonstige Institutionen wird es noch einen gesonderten Beitrag geben.

P.P.S.: Wer mit dem Schtonk aus der Überschrift nichts anfangen kann, hier wird Ihnen geholfen.

Weiterführende Links:

Landesraumentwicklungsprogramm Mecklenburg-Vorpommern 2005 (LEP M-V)
Norddeutsches Luftverkehrskonzept
Gutachterliche Vorarbeit zur Erstellung eines Norddeutschen Luftverkehrskonzeptes
Fortschreibung Landesraum­ent­wick­lungs­programm
Luftverkehrskonzept Mecklenburg-Vorpommern 2005

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