Ungewöhnliches Prozedere bei der Heringsdorfer Wohnungsgesellschaft

Politisches

Als Gemeindevertreter in Heringsdorf muss man offenbar ein hohes Mass an Leidensfähigkeit aufbringen. Jüngstes Beispiel ist die kommende Aufsichtsratssitzung der gemeindeeigenen Wohnungsgesellschaft am 24. Mai. Diese Sitzung sollte ursprünglich bereits am 16. Mai stattfinden, wurde aber kurzfristig aus „organisatorischen Gründen“ abgesagt. Einziger Punkt zur Entscheidung in den beiden Sitzungen: Geschäftsführungsfragen. Eine Beschlussvorlage mit Informationen für die Aufsichtsratsmitglieder gab es weder für den ersten Termin, noch gibt es sie für den zweiten.

Der Gemeindevertreter und Aufsichtsratsmitglied Frank Lettner hat daraufhin den Vorsitzenden des Aufsichtsrates, Bürgermeister Klaus Kottwittenborg und den Geschäftsführer des Unternehmens, Norbert Grimm aufgefordert, die Beschlussvorlage bis zum 18. Mai zur Verfügung zu stellen. Passiert ist nichts.

Deshalb hat sich Frank Lettner sich jetzt mit einem offenen Brief an die Öffentlichkeit gewendet und stellt ein paar sehr interessante Fragen:

Stimmt es, dass der Aufsichtsrat in seiner Sitzung am 24.05.2011 über die Nachfolge von Herrn Grimm beschließen soll? (Sein Vertrag läuft im Jahre 2013 erst aus)

Stimmt es, dass bereits jetzt als Nachfolger von ihm der momentane Aufsichtsratsvorsitzende Herr Kottwittenborg bestimmt werden soll?

Stimmt es das es diesbezüglich bereits Absprachen mit einigen Aufsichtsratsmitgliedern gibt, diese also über das Vorgehen informiert sind im Gegensatz zu den anderen Mitgliedern des Aufsichtsrates, wie z.B. meine Person die diesbezüglich nicht informiert worden sind?

Wenn also die Bestellung als Geschäftsführer von Norbert Grimm erst im April 2013 endet, stellt man sich als Aussenstehender die Frage, was denn wohl jetzt beraten und beschlossen werden soll in Geschäftsführungsfragen. Eine Nachfolgeregelung zu einem so frühen Zeitpunkt wäre mehr als ungewöhnlich und es wäre ohne jeden Zweifel noch ungewöhnlicher, wenn wie von Frank Lettner angedeutet, der Nachfolger tatsächlich der amtierende Bürgermeister wäre.

Obwohl, wenn etwas andernorts ungewöhnlich ist, muss es das in Heringsdorf noch lange nicht sein.

Mit Spannung darf man auch die Antwort auf die Frage erwarten, ob es tatsächlich eine Zwei-Klassen-Gesellschaft im Aufsichtsrat gibt. Und falls ja, wie man diese begründet.

P.S.: Weitere Gemeindevertreter im Aufsichtsrat sind Helmut Friedrich, Joachim Saupe, Hans-Joachim Giese, Joachim Richter und Thomas Heilmann.

Über die Titelsucht der Trockennasenaffen

Politisches

Beim Radiosender meiner Wahl, Deutschlandradio Kultur gab es in der vergangenen Woche eine ganz wundervolle Glosse von Arno Orzessek mit dem Titel „Die Mimikry der Trockennasenaffen„. Er nimmt aufs herrlichste die Titelsucht von Guttenberg, Saß, Koch-Mehrin und noch vielen, die ihnen sicher folgen werden, ins Visier.

Der Mensch ist bekanntlich ein Säugetier aus der Ordnung der Primaten und wird zu den Trockennasenaffen gezählt. Weshalb es sich aufdrängt, die abnorme Titelsucht gerade im Biotop Deutschland – einst der natürliche Lebensraum von Dichtern und Denkern – evolutionsbiologisch zu erklären. Und das ist gar nicht so schwer.

Unbedingt lesen. Lange nicht mehr so herzhaft gelacht.

Das Trouville des Baltischen Meeres

Historisches

Heringsdorf ist das Trouville des Baltischen Meeres. Schritt für Schritt hat sich das kleine Fischerdorf zu einem Stelldichein der Welt, die zu leben weiß, entwickelt. Es gibt gemüthlichere Sommerfrischen an der Ostseeküste, auch billigere, aber sicher nicht elegantere. In Misdroy und Dievenow, in Kolberg und Kranz gruppirt sich die Badegesellschaft nach mehr oder minder deutlich erkennbaren Steuerstufen. Neben dem verwöhnten Curhotelgast, der mit einer Anzahl von Rohrplattenkoffern reist, ist da der bescheiden, fast dürftig hergerichtete Wanderhaushalt der köpfereichen berliner Familie, die zu dritt, zu viert, wenn nicht gar zu fünft und zu sechst sich an einem einzigen engen Schlafraum genügen lassen muß, keine Seltenheit. In noch kleineren Ostseebädern erreicht die äußere Lebensführung eines Theils der Sommergäste ja noch nicht einmal die anspruchslose Behäbigkeit einer Fischerwirthschaft.

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Die sommerliche Ungenirtheit des Strandlebens in Hemdsärmeln, die patriarchalische Sechswochenfreundschaft mit biederen Eingeborenen, das tägliche Flunderngericht der sparenden Kleinbürgersfrau, alles das rührt an Zeiten, die für Heringsdorf längst vergangen sind. Hier scheint der größte Theil der Badegesellschaft den höheren Steuerklassen anzugehören. Manchmal trügt ja auch der Schein. Immerhin darf derjenige, der auf die Reise sparen muß, seine Schritte nicht nach Heringsdorf lenken. Die Lustfahrten auf den Segeljachten, die abendlichen Grogs und Schlummerpünsche, die Vorstecksträußchen für irgendeinen schlanken Gürtel, der Sherry nach dem Bade, die Droschken, die Ruderboote, die unzähligen Kellner in den Wiener Cafés, alles das ergibt tagtäglich ohne besondere Anstrengung ein ganz erkleckliches Nebenconto. Die Gelegenheiten, Geld auszugeben, sind in Heringsdorf nun einmal so raffinirt bequem und verlockend. Heute ein Extraconcert in dem oder jenem großstädtischen Etablissement, morgen ein Strandfeuerwerk, übermorgen ein Kinderfest oder ein Corso, Wettspiele, Regatten, Bazare, Theater; es ist wie eine Fortsetzung der großen berliner Gesellschaftssaison. Sogar das Bad im Meere hat durch die neuerdings eingeführte Mischung der Geschlechter den Charme einer geselligen Unterhaltung angenommen. Weiterlesen

Hingehen und mitmachen!

Politisches

In den Kommentaren zu einem Spruch der Woche hatte der Tagelöhner gefragt, was man denn unternehmen könne und ich antwortete:

Gleichgesinnte suchen, Engagement entwickeln, aktive Teilnahme an Entscheidungsprozessen bei jeder zulässigen Gelegenheit. Öffentlichkeit schaffen.

Jetzt gibt es eine sehr gute Gelegenheit dazu. Vor kurzem fand in Heringsdorf die Auftaktveranstaltung zur Fortschreibung des städtebaulichen Leitbildes aus dem Jahr 2007 statt, praktisch unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Es waren gerade einmal knapp dreissig Besucher da, darunter immerhin ganze acht Gemeindevertreter, die Historische Gesellschaft war mit drei Mitgliedern vertreten, ein paar Mitarbeiter der Verwaltung und einige wenige unverdrossene Einwohner. Allerdings wurde die Veranstaltung im Vorfeld praktisch nicht beworben. Wenn ich nicht als berufener Einwohner eine persönliche Einladung bekommen hätte, wäre es an mir auch vorbeigegangen.

Herr Rilke von der beauftragten Planungsgruppe 4 aus Berlin war so freundlich, mir seine Präsentation von der Auftaktveranstaltung zur Verfügung zu stellen (geht am besten im Vollbildmodus auf der Webseite von Slideshare):

Fortschreibung Leitbild Heringsdorf

Warum ist eine starke Teilnahme der Einwohner wichtig? Mit der Fortschreibung des städtebaulichen Leitbilds sollen die Entwicklungslinien für Heringsdorf bis zum Jahr 2020 erarbeitet und am Ende durch die Gemeindevertretung beschlossen werden.

Zur Erinnerung: Im ersten Leitbild von 2006 wurde unter anderem auch die „Neue Mitte“ (EKZ) festgeschrieben, die in der Bevölkerung sehr umstritten ist. Kurzum, das Leitbild dient zur Begründung von allem, was in den nächsten Jahren an Bebauungsplänen entwickelt wird.

Besonders heikel aus meiner Sicht ist zum Beispiel der Standort „Haus der Erholung“ in Ahlbeck. Im ersten Leitbild ist dort eine öffentlichen Nutzung vorgesehen, die nach meiner ganz persönlichen Meinung dort auch stattfinden muss. Nun gibt es aber im Rathaus Bestrebungen, auch diesen Standort noch mit einem Hotel zuzupflastern. Es wird also mit ziemlicher Sicherheit den Versuch geben, die öffentliche Nutzung für diesen Standort aus dem Leitbild herauszunehmen. Das alleine reicht schon aus, um sich in Breite in den Veranstaltungen zur Erarbeitung der Fortschreibung zu engagieren.

Auch die ein oder andere These im Leitbild, zum Beispiel die Vorstellung der Entwicklung einer Doppelstadt Heringsdorf-Swinemünde, ist leidenschaftliche Diskussion wert.

Am 25. Mai, 18.00 Uhr findet im Saal Bansin-Ückeritz des MARITIM-Hotels Kaiserhof ein erster Workshop statt. Diskutiert werden soll in drei Arbeitsgruppen:

1. Ortsteilentwicklung und Identität
2. Tourismus und Wirtschaft
3. Deutsch-polnische Kooperation

Hingehen! Mitmachen! Den Usedomspotter treffen! 🙂

Für alle, die es nicht kennen (und das dürften sehr viele sein) gibt es hier die Broschüre des Leitbildes aus dem Jahr 2007 zum herunter laden: Städtebauliches Leitbild Heringsdorf 2007